Im November 2012 ist erschienen:
Timo Kölling
Gebete aus Stein
Gedichte (2007)
»His soul had approached that region where dwell the vast hosts of the dead.«
— James Joyce, The Dead
64 Seiten, Hardcover mit Lesebändchen
ISBN 978-3-942090-23-0
Eisenhut Verlag
Limitiert auf 120 vom Autor signierte Exemplare, davon 100 zum Verkauf!
»Gebete aus Stein« ist beim Wimbauer Buchversand, bei Amazon und überall im Buchhandel erhältlich. Die Preisbindung ist aufgehoben (Restauflage, nur noch wenige Exemplare).
Über das Buch:
»Gebete aus Stein« ist Timo Köllings drittes Gedichtbuch nach »Begegnungen in Weiss« und »Versuch eines Winters«. 2007 fertiggestellt und fünf Jahre lang unveröffentlicht geblieben, handelt es sich um »kunstlose« Lieder im Sinne Hölderlins: hermetische Augenblicke reiner Erfahrung am Ende einer radikalen Zerstörung der »Lüge vor allem Anfang«: des phantasmagorischen Bedeutungskosmos, der uns gefangen hält, noch immer. Gleichermaßen gegen das Pathos des Neuen und gegen die heillose Wiederkehr des Alten als eines Neuen gewendet, gestaltet sich in den Gedichten das Bewusstsein einer eschatologischen Indifferenz, für das etwas wie Rettung allein noch allegorisch zu haben ist. Und gerade indem sie auf nichts aus sind, als den gegenwärtigen Stand der Lyrik zu realisieren, bricht die Tradition in die Gedichte ein in Zitaten von den Wüstenvätern und der christlichen, jüdischen und islamischen Mystik bis zu Benjamin und Celan.
Inhaltsverzeichnis:
GEBET
I
DER WEG
DIE TOTEN
TRAUM (SEIN REICH)
„JAHRHUNDERT-DICHTER“
RUF
HERBST
DIE ZEITLICHEN
DER IRRSINNIGE
UMKEHR
FLUCHT
DER TRÖSTLICHE WEG
WEND
II
NÄHE
IM SIED
TAGS DA WIR STRANDEN
DER GENESENDE
GESETZ
EINSICHT
WEISSUNG
DEZEMBER
DIE FRAGE, DIE PFORTE
DER NAME
LEBEN
DER MORGEN
III
NOCH HALB IN AHSVER-WOLKEN (I-II)
FRÜH (I-II)
DER EINSIEDLER
DIE TOTEN II
EIN BLATT MIT BAUM FÜR BERTOLT BRECHT UND PAUL CELAN
NOCH EINMAL FÜR BERTOLT BRECHT UND PAUL CELAN
DAS SPIEL
DIE TAUSENDJÄHRIGE ROSE
GEDÄCHTNIS
DER STERN
ALLEGORIE (I-III)
Leseprobe:
GEBET
Bliebest du aus,
ließest uns,
gelänge vielleicht
unser Spiel.
DIE TOTEN
Für K.
Uns zur Feier
mitzutun im ›Alles wie immer‹:
die Tänze, die Lieder,
die Küsse, die Gaben, Umarmungen, das
Lachen, die Träume, die Winde, die
verhaltenen Klagen, die Reden,
die Bücher, Schwüre, die Blicke, die wissenden
Züge um Münder, der Raum der wartenden
Morgen: alles
rüstet sich zur
ewigen Wiederkehr, – nicht
aber der Schnee.
Du mehrst mit jedem
Wort die Lüge, mit jedem
Schweigen die Schuld.
Offen, wie lange schon?, sind
unsere Häuser. Waren
in ihnen schon immer, wie jetzt, die atmenden
Fernen, die Nebel, die hehlenden
Sterne, Straßen, auf Gräbern die Lichter, die
Stimmen der Toten?
TRAUM (SEIN REICH)
wir tauschen einfach so die Worte nachttag tagnacht
wir gleiten über eisige Flächen wir glänzen einander
weiter westwärts können wir nicht schon droht die Stille
vor uns das Meer die Tiefe der große Steinpalast
der will den Krieg der onaniert der ist bei Gott
wir sind das Küstengrau wir sind zuhause weiter
westwärts können wir nicht wir werden gehetzt es ist
schon Frieden der Besiegte hat gesiegt er IST
er läßt uns einfach so die Worte tauschen tagtag
er läßt uns über eisige Flächen gleiten einander
glänzen weiter können wir nicht wir können nicht schweigen
er träumt in uns sein Reich den großen Steinpalast.
EINSICHT
Zu durchstoßen:
das Ge-
dicht aus zusammengepferchten
Wünschen, rückwärts
ineinsgelesen: Welt, die Heimat
geschlossener Lider.
Wir haben
empfangen die steinernen
Tafeln; wir
kreisen gespenstisch im
Land der Sage.
Pentheus schläft. Pentheus erwacht. Pentheus träumt.
Gerettet ist
das wissende Zeichen, die erste
Sekunde, die
Schrift der Hehle.
Asche sind
eure magischen Schlüssel: sie ver-
brachten ins Selbe. Wir kennen
den weißen Raum eurer Ankunft,
Worte auf wässrigem Grund, euer
singendes Schweigen: die Lüge
vor allem Anfang.
DER MORGEN
Blaues Silber. Im blauen Silber des Morgens
sind alle gleich
sind alle nichts
im Duft von Blüte und Gras
in dichter, klingender Stille
im Laut der Vögel
durchlässig
unheimlich
im blauen Silber des Morgens.
Im blauen Silber des Morgens
nimm dein Gesicht
ganz nach innen
du hast kein Gesicht
Phantom
alles ist Kelch
die Hehle nimmt uns
im blauen Silber des Morgens.
Im blauen Silber des Morgens
nur Welle, nur Spiegel
Maske, offen, Ort
tieferen Wissens. Wir kennen es nicht. Wir sind das
blaue Silber des Morgens. Wir glänzen einander
nicht länger, so ohne Gesicht. Alles ist gleich.
Wir wohnen jetzt im Mund der Stille. Alles ist nichts.
Alles ist nichts im blauen Silber des Morgens.
DIE TOTEN II
Nicht wahr? sie mauern
die Toten mauern
mit Licht und Luft
mit Lachen und Leichtmut
mit Klängen, die rühren,
Kerkerwände
ganz aus Offenem
undurchdringlich
die Steinernen mauern
undurchdringlich
und voller Bedeutung
den Schein des Tages
lästernd
ägyptische Nacht
voller Schönheit
Gespenster-Schönheit
wurmstichig
lügnerisch
den Schein des Tages
den Schein des Scheins
scheinlos
rettungslos
namenlos, also
wie nicht
wie nicht
Hörst du? Es ist nichts. Auch wir
sind steinern, wohnen
in den Mauern des Schlafs, schlafen den Schlaf,
den erwachenden, das
Gebet aus Stein. Auch wir sind tot. Schon lange.
Wir sind die Toten. Hörst du? Wir sind unter Toten
die Toten. Wir, die Toten, begraben die Toten.
Schweigsam. Wir sind die verschwiegene Nähe. Wir sind der
ummauerte Name, lange schon schweigend, ummauert.
Wir sind der ummauerte Name, ummauert vom Namen.
Hörst du? Es ist nichts. Auch wir
sind tot. Wir, die Toten, schweigen den Toten.
Wir beten fort, den Toten tot, ummauert von Schlaf. –
Der Name ist die Mauer!
Der Name ist die Mauer!